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Die E-Zigarette am Scheideweg. Tabakkonzerne als Wachstumstreiber oder Totengräber?


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Die Tabakkonzerne drängen in den E-Zigarettenmarkt und sorgen bei vielen Dampfern für Verärgerung. Wie ihr Engagement die E-Zigarette verändert.

Die elektronische Zigarette befindet sich in Deutschland auf dem Vormarsch. Innerhalb von wenigen Jahren hat sie sich hierzulande von einem Nischenprodukt zu der bevorzugten Alternative für Ex-Raucher entwickelt. Angesichts dieses rasanten Wachstums ist es kaum verwunderlich, dass auch einige Tabakkonzerne ihre Strategie überdenken. Während diese bis vor Kurzem in erster Linie probierten, die E-Zigarette durch Lobbyarbeit zu vertreiben, bringen diese nun verstärkt eigene Produkte auf den Markt. Dabei könnte sich das Engagement der Big Player zu einem Segen für alle Dampfer entwickeln.

Wachstumsmarkt E-Zigarette

Der E-Zigarettenmarkt ist ohne Zweifel einer der am schnellsten wachsenden Einzelhandelssegmente Deutschlands. Neusten Schätzungen des VdeH zufolge greifen bereits rund 3,2 Millionen Bundesbürger gelegentlich zur elektronischen Zigarette. Mit steigender Tendenz. So ist es auch kaum verwunderlich, dass die Branche in nur fünf Jahren ihren Umsatz von fünf Millionen Euro auf 275 Millionen Euro erhöhen konnte. Für das Jahr 2016 wird sogar mit einem weiteren Anstieg um 30 Prozent gerechnet.

Während der Markt bisher in erster Linie durch eine Vielzahl kleinerer Händler geprägt ist und inzwischen rund 9.000 Menschen in Deutschland eine Beschäftigung innerhalb der E-Zigarettenindustrie nachgehen, probieren seit Kurzem zunehmend auch internationale Tabakkonzerne ein Stück vom Kuchen ab zugreifen.

Produkte der Tabakkonzerne eine alternative für Dampfer?

Im letzten Jahr führte Japan Tobacco International das Produkt E-Lites curv in den Markt ein und nur wenig später präsentierte auch British American Tobacco mit der Marke Vype sein erstes eigenes Produkt. Insbesondere BAT ist es durch eine breit angelegte Werbekampagne gelungen, sich innerhalb kürzester Zeit als ein Big Player im E-Zigarettenmarkt zu etablieren. Zudem testet auch Philipp Morris mit dem iQOS-Stift in der Schweiz, Japan und in Italien gerade sein Einführungsprodukt. Dieses soll zeitnah auch hierzulande erhältlich sein.

„Wir wollen erwachsenen Rauchern ein Tabakprodukt anbieten, das potenziell weniger schädlich ist als die Zigarette“, sagte Moira Gilchrist von Philip Morris dazu im Rahmen der Produkteinführung in der Neuen Züricher Zeitung.

Alle drei Produkte richten sich jedoch in erster Linie an Einsteiger und dürften für wahre Dampfer keine ernstzunehmende Alternative darstellen.

Für Reemtsma ist die E-Zigarette noch zu uninteressant

Von den großen in Deutschland  agierenden Tabakkonzernen scheint lediglich Reemtsma noch kein Interesse daran zu haben, in den Markt vorzustoßen. „Wir haben in ausgewählten Ländern wie USA und England unter der Marke Blue ein Produkt am Markt. In Deutschland ist die E-Zigarette bisher nur ein Nischenprodukt. Wir beobachten hier den Markt und reagieren, wenn er eine interessante Größe erreicht. Langfristig wird aber auch hier die E-Zigarette an Bedeutung gewinnen.“, so Reemtsma-Chef Michael Kaib im Hamburger Abendblatt. Der Nichteinstieg hängt jedoch auch mit dem stabilen Zigarettenmarkt zusammen. Während die hohen Preise für Tabakzigaretten in den USA oder England eine Vielzahl von Rauchern zum Aufhören bewegen, sind diese hierzulande noch immer moderat. Zudem ist die Migration ein Wachstumstreiber für die Tabakkonzerne.

„Das ist ehrlich gesagt schwer vorauszusehen. Deutschland hat aber im Gegensatz zum Rest der Welt einen recht stabilen Tabakkonsum. Dazu haben die Zuwanderung und Flüchtlinge sowie die insgesamt gute konjunkturelle Lage mit steigenden verfügbaren Einkommen beigetragen.“, so Kaib auf zu erwartende Änderungen im Rauchverhalten der Deutschen. „der größte Teil sind junge, männliche Flüchtlinge, und da ist der Tabakkonsum stärker verbreitet. […] Es sind wie gesagt nicht nur die Flüchtlinge. Wir haben auch seit Jahren einen Zuzug aus Zentral- und Osteuropa und sogenannte Arbeitsmigration. Kurz gesagt: Die Zahl der Konsumenten wächst aufgrund der Migration – und der Markt ist demzufolge stabil.“, führt der Reemtsma-Chef fort.

Aufgrund dieser Aussagen scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch der letzte Tabakriese in den E-Zigarettenmarkt vordringen wird. Schließlich dürfte das rasante Wachstum im E-Zigarettenmarkt anhalten, während die durch Flüchtlinge getriebene Migration in naher Zukunft rückläufig sein sollte.

Tabakkonzerne ein Fluch oder Segen für die E-Zigarette?

Ob das verstärkte Vordringen der Tabakkonzerne am Ende für die E-Zigarette ein Fluch oder ein Segen sein wird, bleibt abzuwarten. Auf der einen Seite dürfte es im Markt zu einer Konsolidierung kommen, in dessen Rahmen eine Vielzahl der derzeit 200 kleineren und mittleren Unternehmen von der Bildfläche verschwinden werden. Dies würde nicht nur negative Folgen für die rund 9.000 innerhalb der E-Zigarettenindustrie beschäftigten Menschen haben, sondern dürfte auch zu einem abnehmenden Innovationsdruck für die Unternehmen und einem Rückgang in der Produktvielfalt führen.

Auf der anderen Seite hat die Tabaklobby in der Vergangenheit bereits bewiesen, wie stark ihr Einfluss auf die Berichterstattung im Hinblick auf die E-Zigarette ist. Ein stärkeres Engagement der Tabakkonzerne dürfte dafür sorgen, dass in den Medien zukünftig ausgewogener über die elektronische Zigarette berichtet wird und die Bevölkerung nicht mehr nur durch die Verbreitung von Negativmeldungen und Mythen verunsichert wird. Der größte Vorteil sollte jedoch in der verbesserten Vernetzung und dem großen Einfluss der Tabakkonzerne liegen. Insbesondere die von der Politik angedachten Regulierungen und Verbote könnten sich somit zukünftig verstärkt an den Bedürfnissen der Dampfer orientieren und dürften nicht mehr ausschließlich darauf abzielen, den Interessen von den E-Zigarettengegnern gerecht zu werden.