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E-Zigaretten-Liquids sind kleine Geschmackskunstwerke


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Für viele „Dampfer“ ist es eines der schlagkräftigsten Argumente, dass ihnen eine gigantische Welt der Geschmacksrichtungen offensteht. Doch dahinter steckt auch viel Entwicklungsarbeit.

Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass sich vergleichsweise viele technikaffine Menschen der E-Zigarette widmen: Man drückt einen Schalter. Der setzt einen wohldosiert-eingestellten Stromfluss in Gang. Dieser fließt durch eine Wicklung aus Kanthal, einer Legierung verschiedener Metalle mit enorm hohem Schmelzpunkt. Durch den elektrischen Widerstand der Wicklung entsteht Wärme. Die wiederum bringt das in einem saugförmigen Material ringsherum vorhandene Liquid schlagartig und in großer Menge zum Verdampfen, einen Zug später landet es im Konsumentenmund und entfaltet sein Aroma – angewandte Physik und Chemie in Reinform.

Nicht minder faszinierend als die E-Zigarette selbst sind allerdings auch die Liquids, mit denen sie betrieben werden. Denn damit etwas wirklich schmeckt, machen sich die Entwickler nicht weniger Gedanken als es bei Nahrungsmitteln, Getränken und sogar Parfüms der Fall ist.

1. Ein bisschen hiervon, etwas davon…

Jeder, der gerne Bier trinkt, wird bestätigen können, dass jede Marke anders schmeckt – erst recht, wenn man noch die unterschiedlichen Sorten zwischen Alt und Weizen betrachtet. Eigentlich ist das verblüffend, wenn man bedenkt, dass die Zutatenliste des deutschen Reinheitsgebots mit Wasser, Hefe, Hopfen und Mals den Bierbrauern nur einen sehr engen Spielraum zugesteht, innerhalb dessen sie variieren können.

Tatsächlich ist es bei E-Zigaretten-Liquids ziemlich ähnlich. Denn auch diese, zumindest die, die in der EU vertrieben werden dürfen, unterliegen einem ähnlich engen Korsett der erlaubten Zutaten:

  1. Propylenglykol. Das ist der „Flüssigmacher“ in den Liquids. Der zugelassene Lebensmittelzusatzstoff bindet pro Volumen enorme Mengen Wasser und sorgt für optimale Viskosität.
  2. Glycerin. Ist der Hauptgrund dafür, warum die E-Zigarette so effektvoll dampfen kann. Auch Glycerin ist ein Lebensmittelzusatzstoff und stammt hierbei meist aus natürlichen Fetten. Gleichsam übernimmt es zum Teil die Funktion eines Süßungsmittels.
  3. Nikotin. Ist optional, denn die meisten Liquids gibt es in mehreren Stufen. In der EU sind maximal 20 Milligramm Nikotin pro Milliliter Liquid zulässig.
  4. Wasser.
  5. Aromastoffe. Sie sind der große Knackpunkt, denn es gibt sehr viele davon. Die einzige Konstante: Es muss sich um zugelassene Lebensmittelaromen handeln.

Verboten ist zum Beispiel alles, was dafür sorgen könnte, dass der Dampf eine andere Farbe bekommt. Auch sind einige anderweitig zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe untersagt – etwa Cumarin, das normalerweise in vielen Pflanzen vorkommt. Der Grund dafür: Es wird vermutet (ist jedoch nicht erwiesen), dass der Stoff beim Inhalieren schlecht für die Lunge sein könne.

Was dabei für die Mischer der Liquids neben dem reinen Geschmack zusätzlich knifflig ist: Glycerin ist nicht nur viel dickflüssiger als Propylenglykol, es hat auch einen ziemlich süßen Beigeschmack. Bei vielen Liquids ist das gerne erwünscht, bei anderen jedoch ein buchstäblich unangenehmer Beigeschmack, den man eliminieren möchte – jedoch kann man das Mischungsverhältnis von Glycerin und Propylenglykol nicht beliebig verändern. Sonst besteht auch das Risiko, dass sich die Dampf-Eigenschaften zum Negativen ändern.

Viel Glycerin wäre beispielsweise für ein besonders süß schmeckendes Liquid optimal. Allerdings würde es dadurch insgesamt recht dickflüssig werden, wodurch die „Dampfbarkeit“ leidet, weil das in der Spule verdampfte Material nicht schnell genug durch neue Flüssigkeit ersetzt würde. Viele Faktoren neben dem Geschmack, die beachtet werden wollen.

2. Die einfache Zeit ist vorbei

Die E-Zigarette ist mittlerweile aus den „Kinderkleidern“ herausgewachsen. Das hat zwar die Arbeit der Liquid-Entwickler schwieriger gemacht, aber trug enorm zum Fortkommen dieses Genussmittels bei. Dabei lassen sich, grob gesagt, drei Generationen bzw. Stufen des Geschmacks erkennen:

  • Einfache bekannte Aromen
  • Komplexe bekannte Aromen
  • Frei entwickelte Aromen

1) Als der Trend startete, reichte es für die erste Liquid-Generation, simple, bekannte Geschmacksrichtungen aufzulegen – Erdbeere, Pfefferminz, Schokolade. Das war vergleichsweise einfach, denn diese Aromen können fix und fertig verwendet werden.

2) Die zweite Stufe markierte das Aufkommen von Liquids, die zwar ebenfalls einen bekannten Geschmack abbilden, aber deutlich komplexer zu komponieren sind, weil sie mehrere Aromen beinhalten. Als erstes wäre da Tabak zu nennen. Gerade für viele umstiegswillige Zigarettenraucher war (und ist) es von größter Wichtigkeit, einen Geschmack zu bekommen, der so dicht wie möglich an dem der Zigarette ist – bei dem Liquid-Anbieter eZigarettenkoenig besetzen allein die Tabakgeschmack-Liquids deshalb fast neunzig Verkaufspositionen.

Tatsächlich ist dieses Liquid deshalb enorm knifflig, weil Zigarettentabak selbst schon eine Zutatenmischung ist, die man nicht so einfach aus dem Geschmacksstoffregal zusammensetzen kann. Den Geschmack von unverbranntem Tabak hatte man schnell raus, für das „echte Erlebnis“ jedoch musste man viel mehr probieren.

Allerdings bedeuten diese „Generationen“ nicht, dass eine neue Stufe die Entwicklung der vorherigen beenden würde – auch heute noch werden regelmäßig neue Frucht-Liquids veröffentlicht. Auch in der zweiten Generation wird munter weitergemacht: Nusskuchen, Salamipizza, Grillhähnchen, ja sogar Döner wurde in dampfbare Form gebracht.

3) Die dritte Generation von Liquids ist dagegen die mit dem größten Entwicklerfreiraum, aber naturgemäß auch der engsten Zielgruppe. Auch diese Liquids bestehen aus bekannten Geschmacksstoffen – Basis ist ja nach wie vor nur das, was die freigegebenen Aromen erlauben – aber sie haben keinen Gegenpart in der Welt der Nahrung und Getränke.

Einen ersten großen Erfolg auf diesem Gebiet feierte das sogenannte „Heisenberg“, wegen seiner azurblauen Farbe nach dem Produkt der gleichnamigen, Meth-kochenden Figur in der Erfolgsserie „Breaking Bad“ benannt.

Bei solchen Freistil-Geschmäckern teilt sich die Dampfer-Welt meist in scharf getrennte Lager auf. Die einen lieben es, die anderen ganz und gar nicht. Bei Heisenberg ist es eine Gratwanderung zwischen Blaubeere, Menthol und einer Bandbreite an Anis- bzw. Lakritzaromen. In eine ähnliche Richtung der „Geschmacksexplosion“ gehen Liquids mit kryptischen Namen wie Red Astaire, Blood Sukka, Atomix Rockz oder Meistrix.

Die frei gestalteten Liquids geben der E-Zigarette viel Flügelwind und Eigenständigkeit. Sie haben aber auch das größte kaufmännische Risiko. (Foto: unsplash.com © VapeClubMY)

Die frei gestalteten Liquids geben der E-Zigarette viel Flügelwind und Eigenständigkeit. Sie haben aber auch das größte kaufmännische Risiko. (Foto: unsplash.com © VapeClubMY)

3. Wie ein Parfümeur

Besonders bei der dritten Kategorie ist es nicht verwunderlich, dass die Arbeit, um etwas derartiges zu kreieren, der eines Parfümeurs ähnelt.

Um das mal als Zahl darzustellen: Es gibt ungefähr 10.000 natürliche Aromastoffe. Umgelegt auf die Lebensmittelaromen, die in Liquids erlaubt sind, entspricht das etwa 2500 verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Der Liquid-Entwickler muss sie alle mit Namen und Geschmack kennen. Er muss ferner auch wissen, welche Aroma-Kategorien miteinander harmonieren und welche nicht. Der große Teil der Arbeit besteht deshalb darin, immer wieder zu mischen, zu probieren, Verhältnisse zu justieren, neu zu probieren – und selbst dann besteht wie bei einem Parfüm immer noch das Risiko, dass nur wenige Nasen (oder in diesem Fall Zungen) es ebenso gut finden wie der Entwickler und seine Tester.

Hinzu kommt, dass alle Zutaten freiverkäuflich sind – innerhalb der Dampfer-Szene gibt es eine große Gruppe, die sich vornehmlich damit beschäftigen, für sich selbst neue Geschmäcker zu kreieren. Ein enormer Kreativitäts-Output, der wohl in den kommenden Jahren und mit absehbaren weiteren Rauch-Einschränkungen noch mehr Zulauf bekommen wird.